Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Aber ich kann das nur tun, mit meinem Trenchcoat, meinen Hut und meinen kleinen braunen Lederkoffer voller Tools.
Und so machte ich mich, Bobby the Communicator, auf den Weg in den Wiener Stadtpark, um wieder mal meine Mission zu erfüllen. Selbstverständlich zu einer Nachtzeit, die unerwarteten Besuch eher unwahrscheinlich machte und die meinen Klienten bestmöglichen Schutz vor unerwünschten Blicken boten. Freilich war das der einzige Schutz, den sie brauchten, den meine Klienten waren die brandgefährlichen russischen Wassiljew-Brüder.
Witali Wassiljew, auch genannt „Der Wolf“ war der älteste der Brüder und der Kopf der Familie. Ein sehr attraktiver Mann mit wahrhaft gepflegten Äußeren, grauen Haaren und Vollbart sowie stechende, fast schwarze Augen. Er soll auf die Frage, warum er das Leben seine Feinde verschonte, gesagt haben, dass lebende Opfer seiner Wut abschreckender wären als Tote. Und in der Tat, die, die seine Wut zu spüren bekamen, lebten jetzt auf der Straße, völlig heruntergekommen und isoliert von der wohlhabenden Gesellschaft, von denen niemand wagte, ihnen zu helfen.
Wladimir Wassiljew, genannt „Der Schöne“ war die Nummer zwei in der Familie. Seine blauen Augen, die blonden Haare und der kurze Vollbart machten ihn ohne Zweifel zu einer der begehrtesten Männer in der Geschäftswelt. Von ihm sagt man sich, dass er immer zuerst mit den Frauen seiner Geschäftspartner „verhandelte“. Der Einfluss der Frauen auf ihre Männer sorgte dann dafür, dass er immer das bekam, was er wollte. Die meisten Geschäftspartner, die hinter seine Methode kamen, waren inzwischen geschieden oder schwiegen über diese Schmach. Auf jeden Fall waren sie aber noch im Geschäft. Die Wenigen, die meinten sich beschweren zu müssen, waren das nicht mehr, denn sie bekamen es mit dem Dritten im Bunde zu tun.
Wladislaw Wassiljew oder auch „Die Narbe“ genannt, war einen Kopf größer als seine Brüder, was schon etwas heißen mag, in Anbetracht der Tatsache, dass sie fast die 1,90 Meter erreichten. Er war der jüngste Spross der Familie. Seine über die Schulter gehendes gewelltes Haar, sein wilder Vollbart und seine alte Narbe, die seine linke Augenbraue teilt, sagten schon von Weitem, was von ihm zu erwarten war. Er war der, dem man nicht treffen wollte, den man aus dem Weg ging, der dessen Blick man nicht erwiderte, wenn man etwas ausgefressen hatte. In vielen Fällen zogen sich diese Menschen aus der Branche aus dem Geschäft und manchmal sogar aus der Gesellschaft zurück. Wie er das machte, wusste jedoch keiner.
Meinen Hut tief in die Stirn gezogen, ging ich den Wienfluss entlang, der aktuell mehr ein Rinnsal als ein Fluss war, beobachtete, wie mein Schatten von einem zum nächsten Lichtmasten wanderte, und hörte von fernen den Lärm von Wiens Straßen. Ich genoss die Ruhe und nutze sie, um mich zu sammeln, bis ich schließlich die Stiegen zum Park hinaufging. Ich schaute mich kurz um und ging dann am Stadtparkteich entlang Richtung Johann Strauß Denkmal. Dort angekommen musste ich nicht lange warten, bis ich drei Schatten wahrnehmen konnte. Kurz bevor sie mich erreichten, drehte ich mich um und ging wieder los.
Der Kursalon war zwar offiziell bereits geschlossen, aber dort angekommen, wurde ich sogleich von einem kleinen Mann hineingebeten und in ein separates, spärlich beleuchtetes Zimmer geführt. Nur zwei Minuten später wurden auch die Brüder eingelassen. Nun kam das, was mich als Mann einfach auszeichnete, nämlich die Gelassenheit, zu der ich fähig war, wenn drei riesige russische Männer sich anschickten, mich zuerst auf die linke, dann auf die rechte und dann wiederum auf die linke Wange zu küssen.
„Mein Freund …“ begann Witali im gebrochenen Deutsch „… Es ist mir eine Ehre, dich wieder endlich zu sehen. Was machst du, gehen die Geschäfte gut?“
„Witali, was soll ich sagen, mir geht es prima, alles läuft bestens. Aber sag selbst, wie steht es um dich und deinen Brüdern?“
Neugierig schaute ich sie an und musste wieder einmal erkennen, dass ich aus ihrer Sicht sicher nicht mehr als eine Fliege auf einer Wodkaflasche sein konnte.
„Die Geschäfte laufen gut, ja sehr gut sogar. Aber wir haben kleines organisatorisches Problem, für das wir dich brauchen würden. Hast du Zeit für uns?“
„Für euch immer.“, sagte ich.
Witali nickte zufrieden und zeigte auf den kleinen Tisch und den vier Sesseln, von den er umsäumt wurde. Ich glaube auch nicht, dass er eine andere Antwort erwartet oder akzeptiert hätte, und so setzen wir uns gemeinsam an den Tisch und Wladimir, der Schöne, übernahm das Gespräch.
„Nun, in unserem Geschäft ist es wichtig, immer erreichbar zu sein, und das sind wir auch. Leider aber werden wir oft miteinander verwechselt. Stelle dir vor, die Leute können uns einfach nicht auseinanderhalten. Witali, Wladimir und Wladislaw ist doch nun wirklich nicht so schwierig, oder? Als ob wir Drillinge wären.“
Er schüttelte heftig den Kopf und dann schlug er derart hart auf den Tisch, dass ich erwartete, dass er in tausend Teile zerbrechen würde, was er aber wundersamer weise nicht tat. Zumindest noch nicht. Er fing laut an zu lachen und seine Brüder und ich stimmten eine Zeit lang mit ein, bis er wieder ernst wurde und Wladislaw vorwurfsvoll anschaute.
„Nun, wir können ja nicht bei jeden, der sich verwählt, gleich unhöflich reagieren, nicht wahr Wladislaw, und deswegen brauchen wird dich. Was sollen wir dann machen?“ Er schaute mich erwartungsvoll an, während Wladislaw auf Russisch etwas seinen Bruder in Ohr flüsterte. Es bedurfte keinen Ton und schon gar keine Übersetzung. Ich zog langsam mein Handy aus meinen Mantel und legte es auf den Tisch.
„Das einfachste ist, ihr transferiert das Gespräch.“ Ich rief Witali an, weil er der geduldigste von den Dreien und ihr Chef war, und dieser nahm das Gespräch an.
„Jetzt musst du auf die drei Punkte im grünen Streifen drücken.“. Ich zeigte darauf und sofort machte Witali, was ich ihm gesagt habe.
„Nun musst du auf den Transfer Button drücken. Das ist der mit dem Punkt und dem Pfeil, der nach rechts zeigt.“ Witali machte seine Sache sehr gut und ich konnte gleich fortfahren.
„Nur noch die Telefonnummer suchen oder eingeben, so wie du es immer machst, und dann auf das grüne Feld mit dem weißen Hörer drücken. Das war es auch schon.“
Es klingelte das Handy von Wladimir, der seinerseits das Gespräch annahm und es weiterleitete zu Wladislaw. Die Begeisterung war groß und ich war eigentlich überzeugt, dass ich meine Arbeit zufriedenstellend erledigt hatte, als mich plötzlich „die Narbe“ mit wilden Augen anfunkelte.
„Nicht so schnell …“, sagte er mit tiefer Stimme. „Das müssen wir üben, wenn wir was getrunken haben.“ Plötzlich standen auf den Tisch drei Flaschen Wodka und wir konnten mit dem Üben beginnen.
Aber das ist eine andere Geschichte.
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