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Rufumleitung

Geschrieben von Dieter Wolfgang Schreiter | 28.09.2020 18:01:38

Ich kann mich noch sagen hören: „Ja, natürlich. Ich werde pünktlich sein.“. Ich setzte mich und versuchte, mich zu fassen. Es war so weit, es war Zahltag.

Der Chef und die Rufumleitung!

Vor vielen Jahren war Bobby der Communicator, nur ein Bobby und sonst nichts. Schulungen, Equipment, Büro und Kontakte kosten viel Geld. Nein, das trifft es nicht ganz. Es kostete sehr viel Geld. Geld, das ich nicht hatte und ich mir auch nicht verdienen hätte können, zumindest nicht in einer absehbaren Zeit. Keine Bank glaubte an mich und alle wollten Sicherheiten.

Eines Tages traf ich dann ein einen Freund, der kannte jemanden, der wieder einen kannte und der brachte mich dann zu ihm, zum „Chef“. Nichts, was in Wien passiert an legalen und weniger legalen Geschäften, ging an ihm vorbei, wenn er das nicht wollte. Der Chef hatte überall seine Finger drinnen. Vom Baugeschäft zum Pizzaladen, vom Taxiunternehmen bis zu den weihnachtlichen Marktständen.

Es war nachmittags um drei Uhr und ein spätsommerlicher Tag in Wien. Als ich an der Villa ankam, konnte ich mich noch sehr genau an den Grundriss erinnern. Durch das Tor und rund 30 Meter die Auffahrt hinauf bis zum Stiegenaufgang. Die Stiegen, welche sich nach rechts wendeten, führten auf das Plateau des Hauses. Es war ein wunderschönes Anwesen mit einem Garten, der auch wieder zu einer Stiege führte, welche die nächste Ebene von außen erreichbar machte. Hier ging es zu dem großen Pool und zu einer großen Anzahl von Menschen, die in schicken Sachen ganz offensichtlich Party machten.

Ich bedankte mich bei den zwei Bodyguards, die mich bis zum Hauseingang begleiteten, wo sie mich einem weiteren Mann übergaben. Dieser wiederum führte mich über die Treppen in den ersten Stock der Ebene mit dem Pool. Am Ende der Stiegen angelangt, wartete ich. Die Leute am Pool konnte ich kaum hören und schon gar nicht sehen. Hingegen konnte ich die Stimme des Chefs sehr gut ausmachen.

„Mein lieber Joe, irgendwann möglicherweise aber auch nie, werde ich dich darum bitten, mir eine Gefälligkeit zu erweisen. Aber solange ich das nicht tue, soll meine Zuwendung an dich ein Geschenk sein. Einverstanden?“

„Vielen Dank, Chef. Immer gerne zu Diensten.“

Eine Türe öffnete sich und ein Mann verließ das Büro des Chefs. Ich erkannte ihn sofort, es war Drei-Finger-Joe. Mit Absicht wendete ich mich ab, so dass er nicht merkte, dass ich ihn erkannt hatte. In diesen Räumlichkeiten sollte man nicht zu neugierig sein. Er ging an mir vorbei und die Stiegen hinunter.

„Sie können nun reinkommen.“, sagte ein großer stämmiger Mann zu mir und mit geöffneter Hand zeigte er auf das Innere dieses seltsamen und dunklen Ortes. 

Der mit Jalousien abgedunkelte Raum wurde nur durch die entstehenden Schlitze und einer kleinen altmodischen Stehlampe in einem Nebenzimmer erleuchtet. Kaum hörbar, aber trotzdem sehr präsent konnte ich die Musik, abgenommen von dem hochpräzisen Arm eines Luxus-Plattenspielers und verstärkt durch eine hochmoderne Anlage vernehmen, die neben der Stehlampe stand. Zu hören war die wunderbare Goldberg Variations BWV 988: Aria.

Es dauerte einige Sekunden, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, doch in dieser Zeit nahm ich bereits meinen Hut ab und verbeugte mich tief in Richtung der offenen Hand.

„Chef, es freut mich sehr, wieder hier sein zu dürfen.“ Ich hörte einen Stuhl, der langsam zurückgeschoben wurde. Als ihn der schwache Schein der Stehlampe traf, konnte ich ihn besser erkennen. Der Chef war alt geworden. Der Haaransatz war weit nach oben gewandert und das Haar schütter geworden. Die Backen waren einem Mastiff nicht unähnlich, tief nach unten gerutscht, der kurze Oberlippenbart hatte schon graue Strähnen, die sich stark vom sonstigen Braun der Barthaare abhoben und die starken Brauen spendeten einen dunklen Schatten, sodass die Augen kaum auszumachen waren. 

„Bobby, mein Freund. Die Freude ist ganz auf meiner Seite.“ Er fasste mit den starken Händen eines Mannes, der wusste, was harte Arbeit war, meine Schultern und zog mich zum symbolischen doppelten Wangenkuss zu sich. Damit konnte ich soweit mal sicher sein, dass ich nichts ausgefressen hatte. Meine Selbstsicherheit stieg ein wenig.

„Was machen die Geschäfte?“

„In der Tat kann ich mich nicht beschweren. Dank …“ Er hob die Hand und ich verstummte sofort. Ich war mir sicher, er wollte nur wissen, dass ich meinen Erfolg ihm, seinem Geld und seinen Kontakten zu verdanken hatte.

„Schon gut, das ist schon lange her. Sag mir, mein Freund, könntest du mir bei zwei kleinen Aufgaben zu Diensten sein?“

Ich antwortete sofort „Natürlich sehr gerne…“ und setzte fort, „… was kann ich tun?“

„Nun, ich werde mich bald zurückziehen und mein Sohn wird das Geschäft übernehmen.“ Er wartete, bis ich das Gehörte abnickte, dann fuhr er fort. „Bis dahin werde ich langsam mehr und mehr Aufgaben an ihn abgeben. Kurz und gut, ich möchte, dass meine eingehenden Anrufe, wenn ich das möchte, gleich an ihm weitergeleitet werden.“

Ich atmete auf, denn das war nun wirklich kein Problem. Allerdings, obwohl er schon lange mein Kunde war, hatte ich ihn noch nie ein Handy in die Hand nehmen sehen. Ich sagte erfreut und erleichtert: „Das soll überhaupt kein Problem sein, bei welchem Telefon?“

Er schnippte mit seiner rechten Hand und der massive Mann im Hintergrund gab ihn sofort das Handy, das er aktivierte und mir zeigte, ohne es aus der Hand zu geben.

„Wie kann ich das machen?“

„Nun Chef ...", ich nahm einen Kugelschreiber aus meinem Mantel, nicht ohne das ich äußerst genau beobachtet wurde und zeigte damit auf ein kleines Zahnrädchen rechts unten am Hauptbildschirm, „... Sie brauchen zunächst nur auf das Zahnrädchen klicken.“ Er machte das sofort und ich wunderte mich über die Treffsicherheit seiner breiten Finger.

„Nun auf das Wort „Rufumleitung“ klicken …“, auch das machte er sofort und ohne Probleme, „… und auf den Reiter „Immer“ wechseln. Er verstand sofort und ich musste erkennen, dass sein Alter seinen Verstand nicht getrübt hatte.

„Jetzt noch „Telefonnummer“ auswählen und die Nummer eingeben oder aus dem Telefonbuch auswählen und mit dem weißen Schalter die Rufumleitung aktivieren.“ Und auch das konnte er ohne Probleme bewältigen.

Er schaute mich schon sehr zufrieden an, nickte und bedankte sich damit für diese kurze Einweisung. Freilich wusste ich, dass dies nur der Anfang war. Die große Bombe würde er gleich zur Explosion bringen. Er setzte sich wieder und strich sich langsam über seine Wangen, um eine offensichtlich juckende Stelle zu beruhigen.

„Die andere Aufgabe ist eine etwas größere.“ Ich schwieg und wartete, bis er seine Stimme wieder erhob. „Ich brauche für meine vielen Standorte auf der ganzen Welt eine Telefonanlage und einen Mann meines Vertrauens, der sie so konfiguriert, wie ich es gerne hätte. Einverstanden?“

Es wäre ja nicht so gewesen, dass ich eine große Wahl gehabt hätte, aber unabhängig davon war dies eine Dienstleistung, die ich gerne erbrachte, um somit meine Schulden zu begleichen. „Ich fühle mich geehrt, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen.“

„Sehr gut, sehr gut.“, sagte er in guter Laune. Die Details werden wir im Pool besprechen.“

Er ging vor und ich fragte mich, wie ich mir in der Eile eine Badehose organisieren könnte, aber das, das ist natürlich eine andere Geschichte.