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003 - Hanna und ihre Jungs (Makeln)

Geschrieben von Dieter Wolfgang Schreiter | 09.09.2020 05:15:00

Es war schon spät, doch die Hitze der Wiener City trieb den Menschen auf den Straßen gnadenlos den Schweiß aus den Poren.

Ich war wie fast jeden Abend auf dem Weg in Wiens beste Pizzeria. Nur wenige kannten Luigis Casa, was wohl daran lag, dass es kein eigentliches Lokal, sondern vielmehr der Keller eines alten Mietshauses war.

Eine kaum beleuchtete Wendeltreppe führt in diese unwirkliche Welt, wo schon ein mit Kerzen beleuchtetes Kellerabteil auf mich wartete. Es war wohl dem Abstieg zu verdanken, dass die Temperaturen um einige Grad fielen, aber dafür zahlte man einen hohen Preis, den die dicken Rauchschwaden, die mich umschlossen, enthielten nur mehr wenige Teile unverbrauchte Luft. Man brauchte wahrlich kein Raucher zu sein, um hier eine volle Dosis Nikotin abzubekommen.

In Luigis Casa hielten sich nur die dunkelsten Gestalten aus Business, Politik und Finanz auf. Die, die wirklich mächtig waren. Die, die hier in aller Ruhe und im verborgenen ihr Netzwerk pflegten und neue Geschäfte abschlossen. Und genau hier, in dieser Finsternis, wo von den kleinen Boxen an der Wand leise traurige Bluesmusik erklang, war mein Jagdrevier. Denn ich bin der Mann, den man ruft, wenn man sich außerhalb dieser finsteren Gemäuer bewegt und gezielt, professionell und vor allem gewinnbringend kommunizieren wollte. Jeder Trick und jede Finte sind mir bekannt und in diesen dunklen Kreisen kennt man mich nur unter dem Namen „Bobby the Communicator“.

Kaum in meinem Kellerabteil angekommen, kam auch schon Luigi und begrüßte mich mit einer mordsmäßigen Umarmung. Der Mann gab einem tatsächlich das Gefühl, zu den Kleinen dieser Welt zu gehören. Seine Arme hatten den Umfang meiner Oberschenkel und sein Atmen roch derart nach Knoblauch, als wollte er damit auf die Jagd nach Vampiren gehen. Doch schon während der Umarmung flüsterte er mir ins Ohr, dass eine alte Bekannte gerne mit mir reden würde. Ich nickte ihm zu und er ging wortlos. Er wusste ohnehin, was ich trinken wollte.

Kurze Zeit später stand das Mineralwasser auf dem alten wackeligen Tisch in meinem Abteil und meine Bekannte vor mir. Hanna, die Katze, eine wahrlich makellose asiatische Frau in den Dreißigern mit langen schwarzen Haaren, hohen Wangenknochen und zarten schmalen Lippen.

Offiziell ist sie die Betreiberin einer Kleidungsboutique, inoffiziell jedoch die Beschafferin von seltenen, ganz speziellen und sehr teuren Accessoires für Männer und Frauen. Nebst bei hat sie den Ruf, einen unstillbaren Appetit auf junge Männer zu haben und dies trieb sie tatsächlich auch zu mir.

„Hallo Bobby“ raunte sie heiser. Mir schien, als hätte sich die Temperatur in meinem Kellerabteil schlagartig wieder erhöht. Natürlich ließ ich mir nichts anmerken. Beide ließen wir uns wortlos auf unseren Stühlen nieder.

„Hallo Hanna“, erwiderte ich ihren Gruß und kam nicht umhin, den Frosch in meinen Hals mühsam hinunter zu schlucken. Würde ich die Hitze, die ich in diesem Moment im innersten spürte, an das Glas Wasser abgeben können, dass auf meinem Tisch stand, hätte es sofort gekocht und wilde hüpfende Blasen im Glas erzeugt. „Was kann ich heute für dich tun?“, sagte ich mit nicht mehr ganz so cooler Stimme.

Sie hauchte mir zu: „Da würde mir eine Menge einfallen, aber ich befürchte, das wäre hier nicht schicklich.“ Sie setzte ein unverschämtes Lächeln auf, und ihre dunklen Augen schienen Funken zu erzeugen. Ich nahm einen kleinen Schluck meines Mineralwassers, während ich innerlich versuchte, mich wieder zu fassen.

„Nun, …“, sagte sie flüsternd und lehnte sich zu mir vor, „… ich habe da zwei nette Burschen kennengelernt, die dafür sorgen, dass ich mich nicht so schrecklich einsam fühle, verstehst du?“ Ich nicke und versuchte die unzähligen Bilder, die sich in meinen Kopf auftaten, rasch zu vertreiben. „Sie wissen nichts voneinander und trotzdem schaffen sie es immer wieder, mich nahezu zur gleichen Zeit anzurufen.“

Sie lehnte sich zurück und mit gespielter Qual sprach sie weiter. „Die Abstimmung zwischen den beiden ist dann so schrecklich mühsam und stressig. Immer wieder zurückrufen, Vorschläge machen und abklären, ich bin danach immer ganz fertig.“ Sie lehnte sich wieder vor „Kannst du mir helfen?“ Ich nickte ihr lächelnd zu.

Kurz und gut. Sie bat mich, ihr zu zeigen, wie sie zwischen zwei Anrufen hin und her wechseln konnte, ohne einen der beiden Anrufer dabei zu verlieren. Ich fasste in meine Tasche, zog mein Handy hervor und legte es auf den Tisch. Danach öffnete ich meinen kleinen Aktenkoffer, den ich immer dabei hatte, und holte dort ein weiteres Handy heraus. Schließlich bat ich noch um ihr eigenes Handy, dass sie vor sich hinlegte.

„Ich rufe dich nun an …“, sagte ich nun wieder ganz professionell in die Arbeit vertieft, „… und du nimmst wie immer das Gespräch entgegen.“ Ich zeigte auf die dritte Symbolgruppe mit den zwei überlagerten Kreisen in Weiß und blau und dem Schriftzug „Halten & Annehmen“. Sie nickte und tat, wie ihr gesagt. Sogleich war der übliche Bildschirm zu sehen.

„Nun rufe ich dich mit meinem zweiten Handy an.“ Die Verbindung wurde hergestellt und ihr Bildschirm veränderte abermals. „Statt nun das Gespräch abzulehnen, musst du es wie zuvor annehmen. Der andere Teilnehmer wird dabei stummgeschaltet und er kann dich auch nicht hören.“ Ich konnte ihre Unsicherheit bemerken, aber schließlich führte sie meine Anweisungen aus.

„Beide Gespräche sind nun mit dir verbunden und du brauchst nur zwischen ihnen hin und her wechseln, indem du auf die jeweilige Nummer / Namen drückst.“ Das versuchten wir dann auch einige Male und sie war bald überaus zufrieden. Schließlich beendeten wir die einzelnen Gespräche und die Sache war im Kasten.

Sie hauchte mir einen zarten Kuss auf meine Wange, flüsterte mir etwas in mein Ohr und verließ mein Kellerabteil. Die Entlohnung für meine Dienste würde ich später bekommen.

Einige Wochen später traf ich sie wieder und ich fragte, ob alles geklappt hätte. Sie nickte und bestätigte mir, Gespräche nun professionell makeln zu können. Leider, so erzählte sie mir weiter, stellte sich jedoch heraus, dass beide Männer sich kannten und sie mit Absicht zur selben Zeit anriefen, um mit ihr ein grausames Spiel zu treiben.

Ich schüttelte mit gespieltem Mitleid meinen Kopf, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, und ging meiner Wege. Eine weitere Klientin, Madam Beatrice, wartete bereits auf mich. Aber das ist eine andere Geschichte.

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