004 - Madam Beatrice (Do Not Disturb)

Posted by Dieter Wolfgang Schreiter on 14.09.2020 07:15:00

In CLOUDYA, Anrufe, Bitte nicht stören (DND)

Ich kenne Wien wie meine Westentasche aber als ich an der Adresse ankam, hatte ich das Gefühl, ich wäre in einer anderen Zeit, in einer anderen Stadt.

Es war schon sehr spät und die Seitengasse lag fast völlig im Dunklen. Wenige Fenster in den oberen Stockwerken brachten ein düsteres, fahles Licht auf die Straße, dass durch den aufkommenden Nebel noch diffuser und schwächer wurde. Der Abstand von einer Gebäudemauer zur anderen betrug keinesfalls mehr als eine Körperlänge, und das Kopfsteinpflaster lud auch nicht gerade ein, in diese Gasse einzutauchen.

Aber „Bobby the Communicator“ lässt sich von so was nicht beeindrucken. Mit langsamen Schritten begann ich mir meinen Weg zu suchen. Ich weichte den metallenen Müllkübeln aus, um sogleich in eine stinkende Pfütze zu treten, und versuchte auch fluchend den zu einer mannshohen Säule hochgestapelten Bierkisten mit leeren Flaschen aus dem Weg zu gehen. So langsam vortastend kam ich zu einer Stiege, die nach unten führte und den wenigen Platz der Gasse ein weiteres Mal stark einschränkte.

Ich nahm den Zettel in die Hand, den man mir in Luigis Casa zugesteckt hatte, und beleuchtete ihn mit meinem Handy, um noch einmal nachzulesen, was darauf stand. Kein Zweifel, ich musste die Stiegen hinunter. Ich blies langsam meine Luft aus den Lungen, als ich hinuntersah und nicht den kleinsten Lichtschein erkennen konnte. Es fröstelte mich und ich dachte darüber nach, einfach kehrtzumachen. Doch ich konnte meine Gedanken nicht zu Ende denken, denn ich wurde von einem metallischen Knall und einem anschließenden wilden Geschepper hochgeschreckt.

Eine Katze ist offensichtlich auf eine der Mülltonnen gesprungen und hat ihn samt Deckel umgerissen. Ein höllischer Krach, der damit endete, dass vor mir besagte schwarze Katze stand, welche mit einem kerzengerade in die Höhe ragenden Schwanz, einen enormen Buckel und weit aufgerissenen und fauchenden Maul mir ihre „Zuneigung“ zeigte.

Ich leuchtete sie mit dem Licht meines Handys an, um sie zu vertreiben, musste mir aber eingestehen, dass die so angeleuchteten Augen eher bei mir Schrecken verursachte, als ich dieser verdammten Katze. Ich gab mein Vorhaben auf, leuchtet ins Dunkle hinab und schritt vorsichtig die Stiege nach unten.

Viel zu lange schien dieser Abstieg zu sein, aber schließlich konnte ich am Ende der Stiege auch das Ende dieses Weges erkennen. Praktisch von allen Seiten mit Mauern umgeben, konnte es nur mehr diese eine Türe sein. Sie war aus massiven, aber sehr altem Holz und schien mir sehr sicher zu sein. Und auch das Fenster, welches mit Gitterstäben „verziert“ war, machte einen durchaus stabilen Eindruck. Ich leuchtete hinein, als ich plötzlich aus meiner Neugierde gerissen wurde.

„Was tun sie hier?“, sagte eine raue, aber fest klingende alte Stimme zu mir. Wäre ich nicht so ein unglaublich cooler Typ, hätte ich mich zweifellos in die Hose gemacht. So aber ließ ich nur mein Handy fallen, während ich in die rechte Ecke des Mauerwerks sprang und dabei kurz aufschrie. Hektisch, aber cool natürlich suchte ich mein Handy, hob es auf und leuchtete in Richtung der Stimme, die ich vernommen hatte.

Kurz bildete ich mir ein, dass die Augen der alten Frau, die vor mir stand, genauso leuchteten wie die der Katze, die ich vor kurzen noch vor mir hatte. Aber dann konnte ich die Augen und auch den Rest der Person vor mir gut erkennen.

Nun muss man von mir wissen, dass ich weder an den Teufel noch an Dämonen, ja noch nicht einmal an Vampire glaube. Doch würde es einen Teufel geben, dann hätte er sicher die Fratze der Frau, die vor mir Stand.

Das auffälligste waren die Augenhöhlen, die es kaum schafften die Augäpfel, die weit nach vor drangen, als wollten sie herausspringen, dort sicher zu behalten. Eine Nase, welche lang und krumm aus dem Gesicht ragte, mit Nüstern, die es mit einem Pferd aufnehmen konnte, versicherten mir, dass sie den Gestank meiner nun doch aufkeimenden Angst riechen konnte. Die langen, streng nach hinten gekämmten und zu einem Zopf gebunden Haare waren grau-weiß und umrahmten die durch ein grässliches breites Grinsen hochgehobenen Wangenknochen. Nicht eine Stelle in diesem Gesicht, bis vielleicht die hässliche Warze auf ihrem Kinn war ohne tiefe Furchen, die ein sehr hohes Alter anzeigten. Ich war fassungslos.

„Ich suche jemanden.“, stammelte ich vor mich hin, wie ein kleines Kind, das dabei erwischt wurde, bei dem Betreten eines verbotenen Ortes.

„Gefunden haben sie jemanden, oder?“, antwortete das alte Weib oder was immer sie war, und grinste noch intensiver, so dass ich die spitz zulaufenden, schwarzen und verfaulten Zähne sehen konnte.

„Madam Beatrice, ich suche Madam Beatrice.“, stotterte ich vor mich hin und ergänzte, „Ich habe einen Termin mit ihr!“ Es schien eine Ewigkeit zu vergehen und ich bildete mir ein, zu erkennen, wie das Etwas vor mir darüber nachdachte, welche Soße zu meinen hübschen kleinen Kopf passen würde, der mit weit aufgerissenen Augen auf ihren Teller lag.

„Kommen sie!“, sagte sie in einem nun etwas milderen Ton und auch die Augen schienen wieder in ihre Höhlen zurückzukehren. Mit einem Schritt war sie bei der schweren Holztüre und öffnete sie mit leichter Hand. War sie die ganze Zeit offen gewesen und unbewacht, dachte ich mir?

Ohne ein weiters Wort zu verlieren, ging die Frau nun hinein und schaltete das Licht ein. Eine schwache Birne in Kerzenform leuchtete von der Decke hinab und spendete ein wenig Licht. Links und rechts des Ganges, den ich nun hindurch ging, war gesäumt mit auf Regale stehenden, Gewürz- und Tinkturgefäßen, die bis zu Decke reichten. Schließlich kamen wir zu einem weiteren Raum, der mit einem runden Tisch und zwei Stühlen möbliert war. Auf dem Tisch stand eine Glaskugel, was mich auf der einen Seite faszinierte und auf der anderen Seite mich noch mehr beunruhigte. Wir nahmen Platz und meine Augen gewöhnten sich langsam an das dämmrige Licht.

„Ich bin eine Kräuterhexe, wie es so schön heißt und ich deute zudem die Zukunft für meine Klienten.“ Ich nickte und weil ich der Meinung war, dass ich irgendetwas Sinnvolles sagen sollte, tat ich das auch.

„Verstehe.“, sagte ich unsicher und dachte still bei mir, dass dies vermutlich doch nicht sehr sinnvoll war, was mir auch gleich bestätigt wurde.

„Nein tun sie nicht, aber gleich werden sie es.“, und mit diesen Worten fing sie wieder an, mich „freundlich“ anzulächeln. Dann griff sie unter den Tisch und ich dachte schon, dass nun gleich das Messer aufblitzen würde, welches mein elendes Leben zu einem unrühmlichen Ende führt. Tatsächlich aber kam das neuste Handy, dass es auf dem Markt gibt, zum Vorschein.

„Während meiner Sé­an­cen mit meinen Kunden brauche ich absolute Ruhe. Aber ich habe sehr viele Klienten und oft werde ich durch einen Anruf gestört. Können sie mir helfen?“ Ich sah, dass sie die Claudia App bereits installiert hatte, atmete höchst erfreut durch und musste überrascht erkennen, dass mir das Leben noch so viel zu bieten haben würde.

„Aber gerne doch. Das ist schnell erklärt. Wir gehen auf die App und bereits in der ersten Ansicht haben wir oben rechts ein weißes Einbahnschild. Wenn wir dieses Symbol aktivieren, dadurch wird es rot, können sie nun nicht mehr erreicht werden. Genauso können wir es auch wieder deaktivieren, wodurch es auch sofort wieder weiß wird.“

Sehr geschickt bediente Madam Beatrice ihr Handy und ich rief sie mehrere Male bei aktiven und nicht aktiven DnD (Do not Disturb) an, um der alten Dame mehr Sicherheit zu geben. Anschließend zwinkerte sie mir zu, bat mir einen guten Kräutertee an und versprach mir, einige gute Kontakte zu vermitteln.

Aber und ihr wisst es sicher schon, das ist eine andere Geschichte.

https://knowhow.auviso.com/knowledge/dnd-am-handy